Miniatur_Richard Schuberth: Der Paketzusteller
- chock50
- vor 1 Tag
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Drava Verlag, 2025.
«Denn eigentlich sind wir doch alle nur one-trick-ponies. Und haben ein beschränktes Arsenal an Einsichten, die für uns irgendwann mal wichtig waren und auf denen wir unser Ich bauten. Und der Rest ist Beiwerk, Bildungsschutt, Fassade. Ob die gelernte Marxistin, die irgendwann mit Bourdieu gelernt hat, dass es neben dem ökonomischen Kapital auch andere Kapitalformen gibt und die Erkenntnis ihr ganzes Leben lang nicht kundzutun müde wird, sei es die Lebensweisheitsgurus, die nie ihre Freude daran verlieren zu verkünden, dass man sich selber lieben können muss, ehe man andere lieben kann, oder die Kritiknovizen, die plötzlich draufkommen, dass Wissen Herrschaftswissen ist, vielleicht europäisches, weisses noch dazu, und deren einzige Platte die ist, zu erkennen, wer jetzt schon wieder von irgendwas ausgeschlossen wird. Alle wissen was, alle wollen, dass man ihr Wissen anerkennt. Viel wissen wir nicht.»
S. 310f.

Diese Heldin ist nicht sympathisch. Sie weiss zu viel, sie durchschaut zu viel, dann spricht sie noch darüber und das zudem noch ausserordentlich eloquent. Und: Sie ist keinen Deut besser als die, die sie genüsslich seziert. Alles ist zugleich wahr: was sie sieht, die Schlüsse, die sie daraus zieht, der Weltekel, das Lebenwollen. Sowie: Die unsägliche Arroganz, mehr zu wissen und zu verstehen. Überhaupt, etwas zu wissen von dieser Welt, geschweige denn etwas zu verstehen. Sie weiss, dass es da kein Entrinnen gibt, hält aber trotzig dagegen. Irgendwie sympathisch.
Für Liebhaber*innen
# des Posting-Orakelns
# des eloquenten Gequatsches & des gescheiten Gesprächs
# der paradoxen Erfahrung, sich zugleich nicht identifizieren zu können und sich dennoch ertappt zu fühlen

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