Zitat zum Sonntag_Joana Osman: Frieden. Eine reale Utopie
- chock50
- vor 2 Tagen
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Penguin Verlag, 2025.
«Ich selbst bin in allererster Linie Schriftstellerin. Ich erzähle Geschichten, und ich erzähle Geschichten darüber, wie man Geschichten erzählt. Geschichten sind nicht einfach nur Unterhaltung - sie sind das Betriebssystem unseres Denkens. Durch Storytelling begreifen wir unsere Welt, geben ihr einen Sinn, vergewissern uns unserer Identität. Unser gesamtes Selbstverständnis, ja, alle Nationen, Religionen, Gemeinschaften basieren auf Geschichten, die wir einander über uns selbst und über die anderen erzählen. Narrative lenken unser Mitgefühl, sie bestimmen, wem wir uns verbunden fühlen und wem nicht. Geschichten schaffen Loyalität, konstruieren Identitäten und schaffen Verbundenheit - aber sie können auch Feindbilder erzeugen. Destruktive Narrative sind in der Lage, ganze Gesellschaften zu spalten, Menschen zu radikalisieren und Gewalt zu rechtfertigen. Genau deshalb sind Narrative der Kern jeder Gesellschaft und jedes gesellschaftlichen Konflikts: Geschichten können ganze Völker mobilisieren - für Krieg, Unterdrückung und Ausgrenzung, aber auch für Freiheit, Demokratie und Frieden.
Und weil Menschen Geschichten mehr vertrauen als blossen Fakten, lassen sich Narrative nicht einfach durch rationale Argumente widerlegen. Das einzige Gegengibt gegen ein zerstörerisches Narrativ ist ein anderes, ein kraftvolleres Narrativ. Ein Gegenbild, das Hoffnung statt Angst erzeugt, das verbindet, statt Feinschaft zu schüren.»
S. 13


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