Miniatur_Deborah Feldman: Judenfetisch
- chock50
- 24. Sept. 2023
- 2 Min. Lesezeit
Luchterhand, 2023.
«Die Fetischisierung der jüdischen Identität in Deutschland ist für mich nicht als Jüdin interessant, sondern als Mensch, der seit seinem Aufbruch in die Freiheit beobachten konnte, wie Identität an sich in unserer Welt zunehmend fetischisiert wird, und genau so wie ich es in meiner Gemeinde erlebt habe, über alles andere erhöht wird. Man denkt, das Ausleben der Identität auf performative Art sei radikal, weil die Mehrheitskultur so lange nur eine Version dieser Performance akzeptierte, dabei ist es die gleiche „Radikalität“, die sich immer wieder in der Geschichte gezeigt hat. Es ist nur ein radikales Zerbröseln, ein Zerstörungsimpuls, aus Wut und Frust geboren; Performance einer Identität macht diese nicht stärker, stabiler oder wahrhaftiger, im Gegenteil, je mehr sich die öffentliche Repräsentation von der Wahrhaftigkeit des Individuums abspaltet, desto unsichtbarer und unwirksamer wird dieses Individuum in der Gesellschaft. Die wahre Befreiung besteht in der Demontage der gesamten Aufführung an sich. Denn ist es nicht sehr gefährlich, die Prinzipien einer angeblichen Gemeinschaft über die eigenen Träume und Impulse zu stellen? Wozu diese Loyalität Begrifflichkeiten gegenüber, wenn sie dem Menschen im Gegenzug keine Loyalität zu bieten haben?»
S. 191

Deborah Feldman ist eine scharfsichtige Beobachterin, eine kluge Denkerin und mitreissende Erzählerin: Nachdem sie in „Unorthodox“ ihre Flucht aus der strenggläubigen jüdischen Gemeinschaft der Satmarer in New York beschreibt, in „Überbitten“ den Weg ihrer den Holocaust überlebenden Grossmutter von Europa nach Amerika nachzeichnet und die Verbindungen dieses Lebens in ihres offenlegt, beschreibt sie nun ihr Leben als säkulare Jüdin in Deutschland (ausgerechnet!). Sie schreibt über jüdische Identitäten und das geht uns alle an: Spielen wir unser Leben oder leben wir es? Sind wir bereit, die Aufführung platzen zu lassen und uns dem zu stellen, was ist?
Für Liebhaber*innen von
# Identitätsfragen
# Jüdischem Leben
# Ambivalenzen

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