Miniatur_Joachim Meyerhoff: Man kann auch in die Höhe fallen
- chock50
- 18. Nov. 2024
- 1 Min. Lesezeit
Kiepenheuer&Witsch, 2024.
«Die Worte hatte ich mir schon während des Laufens zurechtgelegt. Aber erst im Aussprechen, im Ausformulieren würde das Erlebte in die Wirklichkeit eintreten. Schon mein ganzes Leben habe ich nach Menschen gesucht, in deren Gegenwart sich mein Sprechen zur Wirklichkeit formt. Ich war nie gut darin, für mich allein zu denken und zu dichten und dann fertige Geschichten als Kunstwerke in die Welt zu entlassen. Meine Geschichten entstanden in den Echoräumen meiner Gegenüber, und meine Mutter war seit jeher die mir vertrauteste Zuhörerin. "Mama, ich habe gerade eine Kuhgeburt gesehen. Ein Gewitterkälbchen hat das Licht der Welt erblickt. Es war fantastisch. Wie ein archaisches Ritual, ein Fruchtbarkeitsfest unter freiem Himmel. Blut und Blitze. Ich bin völlig geschafft." "Glückwunsch. Gewitterkälbchen gefällt mir. Sind alle wohlauf?" "Oh ja! Der Vater allerdings ist der Geburt ferngeblieben."»
S. 280

"Man kann auch in Höhe fallen", schrieb schon Hölderlin und man erhofft sich eben dieses für den Helden des Romans. Während er (56 Jahre alt) midlifekrisig vor sich hin sauert, mäht Mutter (86 Jahre alt) den Rasen, springt anschliessend ins quallengetränkte Meer und schlägt vor, zum Sternegucken aufs Dach zu klettern. Gut zu wissen, dass es nicht immer nur bergab gehen muss.
Für Liebhaber*innen
# der fünf Vorgänger-Romane.
# der schönen Literaturform der Anekdote.
# von Lachen, wenns ganz schrecklich ist.

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