Zitat zum Sonntag_Delphine Horvilleur: Mit den Toten leben
- chock50
- 20. Okt. 2024
- 1 Min. Lesezeit
Übersetzung: Nicola Denis.
Hanser Berlin, 2022.
«Meine Aufgabe ist es, etwas erzählen zu können, was schon tausend Mal gesagt worden ist, aber eine dieser Geschichten dem, der sie zum ersten Mal hört, neu zu erschliessen. Ich stehe Frauen und Männern bei, die in den entscheidenden Momenten ihres Lebens das Bedürfnis nach Erzählungen haben. Diese althergebrachten Geschichten sind nicht nur jüdisch, ich gebe sie auch in der Sprache dieser Tradition wieder. Sie schlagen Brücken zwischen den Epochen und Generationen, zwischen denen, die waren, und denen, die sein werden. Unsere heiligen Erzählungen knüpfen eine Verbindung zwischen den Lebendigen und den Toten. Zur Rolle eines Geschichtenerzählers gehört, neben der Tür zu stehen und dafür zu sorgen, dass sie offen bleibt.
So stellt sich abermals die Frage nach Räumen und Trennungen. Wir glauben gerne, dass die Wände undurchlässig und Lebende und Tote sauber voneinander getrennt sind, dass Lebende und Tote einander nicht begegnen müssen. Und wenn sie in Wirklichkeit nichts anderes täten?»
S. 13f.

Kommentare