Zitat zum Sonntag_Geoffroy de Lagasnerie: Kafka misstrauen
- chock50
- 17. März 2024
- 1 Min. Lesezeit
Übersetzung: Andrea Hemminger.
S. Fischer Verlag, 2024.
«Weil die Mechanik des Vorwurfs nur durch eine Geste in Gang gesetzt werden kann, die die Realität verdreht, findet sich der in der Justizmachinerie gefangene Mensch als Gefangener einer verkehrten und albtraumhaften Welt wieder, denn das, was sich als "Suche nach der Wahrheit" darstellt, errichtet ein kontrafaktisches Regime. Es ist also nicht nur so, dass es manchmal "Justizirrtümer" gibt - es ist so, dass der Irrtum das Strafverfahren grundsätzlich ungültig macht, so dass der Begriff der gerichtlichen Wahrheit schlicht eine Oxymoron ist. Eine der grössten symbolischen Gewalttaten, die ein Mensch sich selbst zufügen kann, wird begangen, wenn er der Justiz unterworfen ist und (im Gegensatz zu Josef K.) die Realität seiner eigenen Existenz in ihrer Komplexität vergisst, um es hinzunehmen, sich der gerichtlichen Sichtweise in ihrer Simplizität zu unterwerfen. Wenn er dies tut, oft um zu versuchen, die Gunst einiger Richter zu erlangen, kann er dies nur unter der Bedingung, dass er sich selbst darüber belügt, wer er ist und was ihn dazu gebracht hat, das zu tun, was er getan hat.»
S. 73

Kommentare